Nahost-Berichterstattung von ARD und ZDF

Josef Schuster: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist nicht antisemitisch

Stand
AUTOR/IN
Gabor Paal

Berichten die öffentlich-rechtlichen Medien angemessen über den Gaza-Krieg? Auf Twitter/X bekommen ARD und ZDF immer wieder Kritik ab. Ein eigener, anonymer Account ("ÖRR Antisemitismus Watch") hat es sich sogar zur Aufgabe gemacht, vermeintlichen Antisemitismus bei den öffentlich-rechtlichen nachzuweisen. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sieht dafür keine Anhaltspunkte, benennt aber Fehler.

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Seit dem 7. Oktober 2023 berichten die Auslandsstudios von ARD und ZDF unermüdlich über die Lage in Israel und im Gazastreifen. Der Konflikt ist hochkomplex, kein einzelner Bericht wird ihm wirklich in Gänze gerecht, der eine zeigt die Angehörigen der verschleppten Geiseln, der nächste die humanitäre Notlage im Gazastreifen, der dritte die Gewalt jüdischer Siedler im Gazastreifen. Doch klar ist: Nach fast jedem Bericht bekommen die Medien Prügel – jeweils von der Seite, der die Perspektive dieses einen Beitrags nicht passt. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, verfolgt die Berichterstattung.

"Weitestgehend" sei er mit der Debatte zufrieden. Die derzeitige Situation werde nach seinem Eindruck in vielen Medien korrekt wiedergeben. Doch es folgt ein „aber“. Manchmal ärgere er sich schon. Im November hat die Hamas einige der Geiseln freigelassen. Israel im Gegenzug palästinensische Gefangene. Manche Medien haben in ihren Schlagzeilen zu einem „Geiseltausch“ verkürzt - obwohl die von Israel freigelassenen ja gerade keine "Geiseln" waren.

Auch der ARD ist das in einem Programmhinweis auf die ARD-Sendung Weltspiegel passiert. "Da frage ich mich schon, wo die saubere journalistische Arbeit bleibt.", sagt Schuster. Die ARD hat diesen Fehler innerhalb weniger Stunden korrigiert – doch der Shitstorm war da längst in vollem Gange. In den sozialen Medien hagelte es Antisemitismusvorwürfe. Nur war der Begriff „Geiseltausch“ klar unpassend und falsch. Doch sieht Schuster das noch kein als Zeichen für Antisemitismus.

"Das unterstelle ich den Journalisten nicht, dass das mit antisemitischem Gedankengut oder Hintergedanken gemacht wurde, aber es spricht für eine nicht korrekte Arbeitsweise und überlegtes Handeln."

In den Medien ist auch oft von propalästinensischen Demonstrationen die Rede, die in Deutschland stattfinden. Auch das empfindet Schuster manchmal als Euphemismus. Denn auf diesen Demonstrationen werde oft das Existenzrecht Israels geleugnet oder ein palästinensischer Staat vom Jordan bis zum Mittelmeer gefordert. Das ist aus seiner Sicht eben nciht nur propalästinensisch, sondern ganz klar anti-israelisch, sagt er im Podcast SWR2 Wissen.

Propalästinensische Demonstration sind Demonstrationen, die sich mit den Problemen, auch dem Leid der palästinensischen Bevölkerung beschäftigen, wofür ich volles Verständnis habe. Wenn es antiisraelische Demonstrationen sind, dann besteht die Gefahr, dass es hier zu Äußerungen kommen, die nach deutschem Recht strafbar sind. Und das vermischt hier leider. Und das ist ja das eigentliche Problem.

Dass bei vier Monaten Dauerberichterstattung über den Krieg auch Fehler passieren, ist unvermeidlich, mit Antisemitismusvorwürfen hält sich Schuster jedoch zurück, auch wenn er manchmal Situationen erlebt, die für ihn mehr sind als nur Flüchtigkeitsfehler. So sei er kürzlich in einer BR-Sendung zum Nahost-Konflikt zugeschaltet gewesen.

"Der Moderator hat das Gespräch dann mit den Worten beendet, er wünsche mir Frieden für meine Heimat. Das war definitiv nicht antisemitisch, das unterstelle ich ihm in keiner Weise. Aber indirekt drückt er damit doch aus, dass er mich nicht als Deutschen akzeptiert, sondern meine Heimat in Israel sieht. Das ist zumindest abwertend - ohne klassisch antisemitisch zu sein."

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