Landgericht Mannheim Eingang mit Schild und Wappen

Betrug um knapp 290.000 Euro

Mannheim: Mann soll sich durch Flüchtlingskrise bereichert haben

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Isabel Handrich
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Nicolas Stauder
Autor Nicolas Stauder
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Martina Senghas
Martina Senghas

Ein 53-jähriger Mann soll die Flüchtlingskrise 2015/2016 ausgenutzt haben, um sich zu bereichern. Es geht um rund 290.000 Euro für nicht gelieferte Container und Bauzäune.

Am Landgericht Mannheim hat der Prozess gegen einen Mann begonnen, der die Flüchtlingskrise in den Jahren 2015 und 2016 ausgenutzt haben soll, um sich finanziell zu bereichern. Dem Mann wird Betrug vorgeworfen. Konkret soll der Angeklagte Sanitär-Container und Bauzäune in Rechnung gestellt haben, die er nie besessen und auch nie geliefert hat. Später ließ er dann Container abholen, von denen er behauptete, dass sie ihm gehörten. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hatte ihm insgesamt fast 290.000 Euro überwiesen.

Regierungspräsidium wollte "schnelle und unbürokratische" Hilfe

Während der Flüchtlingskrise 2015/2016 wollte das Regierungspräsidium Karlsruhe "schnell und unbürokratisch" Hilfe leisten. Laut Anklageschrift waren in diesem Zusammenhang auch mündliche Aufträge erteilt worden. Dies habe der Mann ausgenutzt, um sich zu bereichern. Konkret ging es um Objekte, die er an vier damalige Erstaufnahmeeinrichtungen liefern sollte, an die Spinelli-, Franklin- und Funari-Barracks in Mannheim und ans Patrick-Henry-Village in Heidelberg.

Die Rechnungen, die der Mann an das Regierungspräsidium Karlsruhe gestellt hat, sollen so professionell gestaltet gewesen sein, dass sie bezahlt wurden. Als der Mann später Container, die er angeblich nie geliefert hat, abholte, soll er einen Mitarbeiter getäuscht haben.

Angeklagter beteuert seine Unschuld

Der 53-Jährige betonte zu Beginn des Prozesses, dass er unschuldig sei. Der Mann arbeitete damals als Bauleiter in Heidelberg und hatte nebenbei noch ein eigenes Bauunternehmen. Im Sommer 2015 habe er in seiner Rolle als Unternehmer einen Anruf vom Regierungspräsidium bekommen, das dringend nach Objekten für verschiedene Flüchtlingsunterkünfte suchte. Daraufhin habe er übers Internet Container und Bauzäune im Wert von 81.000 Euro gekauft. Die Sachen seien aus Polen zu verschiedenen Zeitpunkten nach Mannheim und Heidelberg geliefert worden. Er sei selbst vor Ort gewesen.

Er warf dem Regierungspräsidium im Prozess vor, dass es keinen Vertrag gegeben habe. Später habe ihm ein Mitarbeiter bescheinigt, welche Objekte ihm gehörten. Er sei aus seiner Sicht daher nicht Täter, sondern Opfer. Nicht zuletzt habe ihn die lange Verfahrensdauer sehr belastet.

Vorsitzender Richter: Schlechte Aussichten für mutmaßlichen Betrüger

Der Vorsitzende Richter machte dem Angeklagten nach dessen Ausführungen deutlich, dass vieles gegen die Unschuldsversion spreche. Nach Aktenlage sei es so, dass sich an das meiste, was der 53-Jährige sage, niemand erinnere.

Bei der anschließenden Befragung im Prozess ging es darum, warum es weder einen E-Mail-Verkehr, Quittungen oder Zeugen gebe, die beweisen, dass der Mann die Objekte gekauft und geliefert hat. Im Laufe der Vernehmung widersprach sich der Angeklagte mehrmals. Zwischendurch gab er zu, dass er manchmal "etwas hemdsärmelig vorgegangen" sei. Dennoch versuchte er immer wieder glaubhaft zu beschreiben, wie er die Container und Bauzäune zu den Flüchtlingsunterkünften gebracht hat.

Angeklagter wollte 2018 Mannheimer Südzucker-Konzern erpressen

Während des Prozesses kam auch zur Sprache, dass der 53-Jährige in der Vergangenheit zweimal auf Bewährung verurteilt worden war. 2013 hat er Rechnungen fingiert - gegenüber einer Ferienkolonie im Odenwald. Im Jahr 2018 hat er versucht, den Mannheimer Südzucker-Konzern zu erpressen. Das Unternehmen schaltete damals sofort die Polizei ein. Der Mann wurde bei der Übergabe des Geldes überführt. Die Vorstrafe ist mittlerweile erlassen, weil der Täter alle Bewährungsauflagen erfüllt hat.

Welche Rolle spielen persönliche Umstände?

Der Angeklagte hat derzeit eine feste Anstellung als Bauleiter bei einer Heidelberger Einrichtung. Er ist Vater von drei erwachsenen Kindern und kann - nach eigener Darstellung von seinem Gehalt leben und zwei seiner Kinder unterstützen. Er brauche allerdings teure Medikamente, weil vor ein paar Jahren Multiple Sklerose (MS) bei ihm diagnostiziert wurde. Der Angeklagte ist geschieden, wohnt bei derzeit seinen über 80-jährigen Eltern und unterstützt diese.

Im Jahr 2015 habe der Angeklagte noch ein "normales und geregeltes Leben" gehabt. Durch die Ermittlungen wegen des Betrugs am Regierungspräsidium habe er seinen Job verloren und sei mit seinem Unternehmen in die Insolvenz getrieben worden. Er habe sein ganzes persönliches Vermögen verloren, außerdem sei seine Ehe in die Brüche gegangen. Nicht zuletzt deshalb sei er 2018 zu der Unrechtstat mit der Erpressung verleitet worden, so seine Sicht.

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